Gemeinschaft für die Menschenwürde

ATD ist eine Bewegung von Menschen, die sich einsetzen für Menschenwürde, frei und unabhängig von einer sozialen, politischen, religiösen oder kulturellen Zugehörigkeit.

Der Weg in die Einsamkeit

Einsamkeit oder Vereinsamung in der heutigen Gesellschaft kann genauso schlimm sein wie Armut. Institutionen für finanzielle Unterstützungen gibt es in Basel genügend. Wie sieht es aber bei Unterstützung von Einsamkeit aus? Wie kann man einsame Menschen integrieren? Wie merkt man, wenn jemand einsam ist? Was kann ich als Nachbar, Freund, Verwandter tun, dass ein einsamer Mensch wieder am Leben teilnimmt? Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. In diesen Tagen, Wochen und Monaten hat sich die Welt verändert. Es fehlt etwas. Und auf die Frage, was denn besonders fehle, hört man oft: Die Kultur. Gemeint ist damit nebst gemeinsamem Erlebnis in Saal und Halle, auf Platz und Strasse das Erlebnis, etwas zu erfahren. Neues und Altbekanntes. Kultur ist für jedermann. Jedermann, der es sich leisten kann. Was ist mit denen, die sich, aufgrund von Umständen, Situationen und Gegebenheiten, die sie selbst nicht immer steuern können und konnten? Einen kulturellen Anlass zu besuchen, erfordert die entsprechenden Mittel. Was ist mit jenen, denen diese Mittel fehlen? Weiss der Konzertbesucher, ob nicht auf dem Platz neben ihm auch jemand sitzen möchte, der sich an der Darbietung freuen möchte, es aber nicht kann. Ist diese Gruppe in unserer Gesellschaft bekannt? Die Armen, die zwar Brot haben, aber keine Eintrittskarte? Der Weg in die Einsamkeit wird da schnell beschritten.

Mitglieder der Strassenbibliothek und der «Kerngrupppe». | Bild Aline Stelzer

Der Weg aus der Einsamkeit

Welcher Weg führt aus dieser Einsamkeit, die nicht immer und nicht nur materielle Ursachen hat? Harun al Raschid wird nachgesagt, er habe sich als Bettler verkleidet unter das Volk gemischt, um so zu erfahren, wie die Armen und Ärmsten leben. Günter Wallraff tat dies ähnlich und schrieb ein Buch darüber. In der Gesellschaft herrschen Zentrifugalkräfte. Das Leichte, weniger stabile wandert nach aussen und steht dann am Rand. Randständig. Die Bezeichnung, der vierte Stand, ist auf die Französische Revolution zurückzuführen.
In Basel fanden diese Menschen ihren Platz in der Peripherie. Später hat man die in der Nähe des Friedhofs und Schlachthofs wohnenden Betroffenen in die Stadt zu integrieren versucht. War das der Weg, der aus der Einsamkeit führte? Nicht immer.

Ursprung der Bewegung

Der Ursprung der Bewegung war in Paris, in den 70-er Jahren. In der Banlieue wurden erste Akzente gesetzt, zu helfen und zu ändern. Zielgruppe waren die «Ausgeschlossenen von Kultur, Gesellschaft, Politik und Sprache». Ihnen wollte man etwas vermitteln, das in den Menschenrechten verankert ist: Die Würde. Mittlerweile hat sich die Idee in einigen Ländern etabliert. So auch in der Schweiz. Und in Basel. Gegenüber der ehemaligen Endstation des 8-er führen ein paar Treppen zur Basler Institution, die es sich zum Ziel gesetzt hat, aktiv etwas zu bewegen. Und zwar für Jung und Alt. ATD Basel ist kein Verein, setzt sich zusammen aus einer Kerngruppe, Basismitgliedern und Freunden.

Was bietet ATD?

Eine offene Tür, offene Ohren für Anliegen und offene Hände, die helfen. Es gibt eine Strassenbibliothek, das ist wörtlich zu nehmen, es werden «auf der Strasse», einem Spielplatz oder Hinterhof Kinder eingeladen und spielerisch und zwanglos mit Büchern bekannt gemacht. Wer da mitmachen möchte, Kindern Bücher, die sie zu Hause weder haben noch kennen, näher zu bringen, ist herzlich willkommen. Voraussetzung: Freude am Buch.
Weiter gibt es Regionaltreffs, fünf bis sechs Anlässe im Jahr, so kann durch das Erlebnis die Gemeinschaft verstärkt werden.
Jeden Dienstag und Donnerstag gibt es den offenen Treffpunkt. Da sind alle eingeladen, die aus ihrem «Schneckenhäuschen der Mühseligen und Beladenen» heraus möchten. Es ist ein Anliegen der Verantwortlichen, dass Interessierte und Betroffene wissen, dass die Menschenwürde einschliesst, würdig zu sein, Hilfe anzunehmen.

Hans Stelzer

Wo und wie?
Wiesendamm 14 oder e-mail:
atd-basel@vtxmail.ch oder Tel.
061 692 92 05
Für alle, die es vielleicht nicht wissen:
Welttag der Armut ist der 17. Oktober!

Hans Stelzer 9-2020 Soziales