"Meine Arbeit erzeugt Hühnerhaut"

BackwarenOutlet am Bahnhof SBB feiert 5 Jahre!


Laden gegenüber dem Bahnhofeingang Gundeldingen (Foto: Kathrin Schulthess)

Am 19. November feierte das BackwarenOutlet gegenüber dem Bahnhofeingang Gundeldingen sein 5-jähriges Bestehen. Berto Dünki hat es mit seiner Partnerin Ursula Moser 2015 eröffnet. Ihre Arbeit bringt die beiden und das ganze Team zum Strahlen. Denn sie retten Backwaren und weitere leicht verderbliche Frischprodukte vor der Vernichtung, indem sie diese günstig im Outlet verkaufen und an Armutsbetroffene abgeben.

"Das darf nicht sein, geht einfach nicht!" schoss es Berto Dünki durch den Kopf, als er sah, wie eine Bäckerei am Abend die unverkauften Produkte mit dem Müll entsorgte. Dies war die Initialzündung für die Gründung seines BackwarenOutlets. Dünki ist ein umgänglicher, unternehmerischer Mensch "ohne Berührungsängste", wie er es selber formuliert, und setzt dabei voll auf Eigeninitiative ohne staatliche Gelder. So hat er in seinem Leben schon viel bewirkt: 13 nichtleibliche Kinder aufgezogen (Voll-, Halb- und Sozialwaisen), war Mitgründer von Mobility, beteiligte sich an einer Vorgängerorganisation der Alternativen Bank Schweiz und hat unter anderem auch berufsmässig Jugendliche bei Gastfamilien platziert.


Sie feiern fünf Jahre BackwarenOutlet: Ursula Moser und Berto Dünki (Foto: Gavin Fürst)

Auch für Armutsbetroffene

"Die Gründung des BackwarenOutlets ist die letzte Geschäftsidee, die ich umgesetzt habe. Unsere Devise: No Food Waste, No Paper Waste und Sozialwirtschaftlichkeit! No Paper Waste: Wir verwenden Verpackungsmaterial aus aufgelösten Bäckereien. Sozialwirtschaftlichkeit bedeutet: Jede und jeder kann um 7 Uhr abends vorbeikommen und Überproduktion kostenlos beziehen. Bis 50 Personen sind es täglich und bis 500 wöchentlich, welche direkt oder indirekt - durch Weitergeben - Produkte von uns erhalten. Wenig bekannt ist, dass jeder vierte Armutsbetroffene nicht aufs Sozialamt geht, und ihm damit vergünstigte Einkaufsmöglichkeiten entgehen." Berto Dünki hat Respekt vor diesen Menschen, mehr noch: Er schätzt sie als Teil unserer Gesellschaft, welcher oft nicht wahrgenommen wird: "Diese Menschen kämpfen für das letzte Quäntchen Ehre, welches einem Armutsbetroffenen noch bleibt!"

Bäckereien und Confiserien: Grosses Interesse

Im gut laufenden, gemütlichen Outlet an der Gundeldingerstrasse 120 und in der Filiale Vogesenstrasse 28 werden Backwaren, Patisserie, Kuchen zum rund halben Preis angeboten. Sie werden bei 15 handwerklichen Bäckereien und Confiserien abgeholt. Deren Firmenchefs sind glücklich über die Zusammenarbeit, da sie die Überproduktion sehr ungern wegwerfen würden. Geschäftsführer Aurel Bachmann von der gleichnamigen Confiserie spricht laut Dünki von einer "absoluten Win-win-Situation", und André Grellinger aus Reinach ist "ein grosser Fan vom BackwarenOutlet". Berto Dünki sieht Potenzial für weitere Partner-Bäckereien und eine Menge unverkaufter Backwaren, die initiative Leute mit der Gründung weiterer Outlets retten könnten.


Ein Mitarbeiter des BackwarenOutlets im Kundengespräch. (Foto:Kathrin Schulthess)

Wer arbeitet mit und verkauft?

Sieben Festangestellte und rund 20 Freiwillige gehören zum Team, im Fahrdienst und Verkauf. Berufsleute aller Ausrichtungen arbeiten in ihrer Freizeit engagiert mit und finden im Outlet, das wie eine grosse Familie funktioniert, Ausgleich zum Arbeitsalltag. Andere Freiwillige suchen Halt und Struktur und/oder möchten einen (Wieder-)Einstieg ins reguläre Arbeitsleben finden. So etwa eine Frau in Halbgefangenschaft, die tagsüber arbeiten durfte, oder ein anfangs etwas "verlorener" Mann. Der ehemalige Freiwillige leitet inzwischen die Abteilung einer Werkstatt mit 25 Beschäftigten. "Das sind Highlights unserer Tätigkeit, und solange meine Arbeit mir immer wieder mal Hühnerhaut erzeugt, arbeite ich weiter", meint Dünki.

Zusammen weitere Outlets schaffen?!

Das Zwinglihaus im Gundeli hat in Kooperation mit Berto Dünki ein BackwarenOutlet mit Café eröffnet. Eine Unterstützung in der Startphase, die Vermittlung von Vitrinen, Verkaufsmöbeln, Backwaren und sogar von Freiwilligen bei personellen Engpässen kann Dünki sich bei weiteren Neugründungen gut vorstellen. "Wir würden gerne mithelfen, wenn sich Leute finden, die im Matthäusquartier ein Outlet betreiben möchten" sagt er und strahlt.

Barbara Keller

12-2020 BarbaraKeller Umwelt