Gemeinschaftliche Zwischennutzungen am Klybeckquai

Wir treffen uns im Holzpark, in der grünen Oase am Klybeckquai, und finden auch gleich eine lauschige und schattige Sitzgruppe, mit Blick entweder zum «Patschifig»-Bar-Container oder zum «Gannet», dem nun an Land gezogenen irischen Leuchtturmschiff. Wir, das sind Katja Reichenstein, Tom Brunner und Roy Bula, alle drei Vorstandsmitglieder im Verein ShiftMode, und der am Thema «Gemeinschaft» interessierte mozaik-Journalist. Wer noch die grossen Oeltanklager und dann das total leergeräumte Ex-Migrol-Areal vor Augen hat, der kann nur Staunen über die seitherige Entwicklung an diesem Ort. Um 2014 stand da nur einsam der Container für die Patschifig-Bar und auf seinem Oberdeck konnte der Blick über den Rhein in die Abendsonne über dem Elsass schweifen oder auf eine grosse Industriebrache, die nach dem nt-Areal das neue Zwischennutzungs-Eldorado werden sollte. Die Zukunftsvision versprach ein «neues Kultur-Daheim für kreatives, temporäres Gedankengut, urbane Wildnis und tanzende Freiheit». Aber aller Anfang war schwer und es begann auf dem nördlich gelegenen ex-Esso-Areal mit gemeinsamen Aktivitäten einiger Pionierprojekte, die aber angesichts der innovativen, aber auch ganz unterschiedlichen Ideen nicht einfach zu koordinieren waren. Das Ideal der selbstbestimmten Zwischennutzung konnte gegenüber der Hafendirektion und der Stadt Basel nicht durchgesetzt werden und so kam es zu zwei etwas unterschiedlichen Lösungsmodellen für die Arealverwaltung. Der Verein I_LAND auf dem ex-Esso-Areal umfasste die Pionierprojekte wie die «Marina»-Bar, die Trendsporthalle und den von der Erlenmatt transferierten Skaterpark «Port Land».

Finanziell getragen wird der Betrieb durch eine Jahresmiete, welche auch mit zusätzlichen Events erwirtschaftet werden kann. Eine etwas andere Entwicklung ergab sich auf dem südlicheren Gelände, wo der Verein «ShiftMode – Verein für Transformation» der koordinierende Ansprechpartner wurde. Die Pläne für eine Zusammenarbeit mit der Art-Ausstellung SCOPE und mit ganzjährig bespielbaren Holzhallen konnten nicht umgesetzt werden. In der Zwischenzeit entfaltete sich bereits eine rege kulturelle und gastronomische «Wildnis», die entlang der vom Hafenbahnbetrieb abgehängten Uferstrasse immer mehr Stadtflüchtige an diesen „urbanen“ Sehnsuchtsstrand lockte. So entstanden beinahe symbolische neue Orte wie die «Landestelle», berühmt wegen der Favelahütten von der Art Basel, der Aussichtsturm der «Karawanserei» oder die verspielte Architektur «Roter Korsar», die auch aus einem Ausstellungsprojekt hergeholt wurde. Für das Verständnis der hier wachsenden Gemeinschaft sind ihre Kriterien für die Mitgliedschaft besonders aussagekräftig. Es sollen öffentlich zugängliche Angebote gemacht werden, die etwa auch Workshop-Charakter haben oder aus Treffen am Runden Tisch bestehen können. Es sollen unterschiedliche Projekte realisiert werden, also keine doppelten und gleichartigen, aber auch keine extremen, sei es politischer oder inhaltlicher Art. Zu diesem Mix können auch Gastfestivals hinzukommen, wie etwa Imagine oder Beat on the Street. Hier die richtige Mischung und Ergänzung der bestehenden Angebote zu finden ist eine wichtige Herausforderung.

Schliesslich soll es einen Ausgleich zwischen kommerziellen und nichtkommerziellen Projekten geben, denn alleine für die zahlreichen Bauten müssen gesetzliche Auflagen für Sicherheit oder Hygiene eingehalten und finanziert werden können. Im Bereich des Holzparks erfolgt eine Abgeltung an den Staat über eine Umsatzmiete. Die Gastronomieangebote sind erfreulich angewachsen und so gibt es Vieles von Suppen (Suppenfritz) über Pizza (Brand&Brändli), Falafel (Dahab), Indisch-Italienisches (Gianila Indian Food) und (winterliche) Fondues (Hafechäs) bis zum Eiscafé (Gocero) und Streetcafé (Xav's Café). Hinter diskret gezogenen Vorhängen oder Wänden finden auch meditative oder kreative Workshops (Stella) oder eine Sauna statt. Für Handfestes bieten sich «Les Ateliers» oder zum Stöbern der «Hafe Brocki» an und in der «Sommerresidenz» findet das Kulturprogramm für «fröhliche Sommermenschen» statt. Ab dem Frühling 2021 soll mit dem Radioprogramm aus dem «Gannet»-Studio im 15 Meter hohen Leuchtturm ein sehr lokales, die Stimmungen auf dem Gelände einfangendes und ganzjähriges Kulturprogramm gestartet werden. Im 42m langen Kulturschiff wird es Platz für 300 Personen geben und dank der 3m tiefen Verankerung können nun auch lärmintensivere Veranstaltungen durchgeführt werden.

Die am Klybeckquai entstandenen Zwischennutzungen beeindrucken durch ihren Pioniercharakter unter dem Motto «Transformation & Partizipation». Gerade auch für Kinder und Jugendliche kann dieser naturnahe Raum eine Alternative zum fertig gebauten Stadtraum bedeuten. Diese Gemeinschaft präsentiert sich heute in ihrer kurzen, allenfalls bis 2029 befristeten Geschichte bereits als ein sehr vielfältiges «Wimmelbild» an kulturellen und gastronomischen Angeboten für die ganze Stadtbevölkerung. Dank ihrer urbanen Ausstrahlung kann sie auch ein Zeichen setzen für eine weitergehende öffentliche Nutzung an dieser stimmungsvollen Lage am «elsässischen» Rhein.

Christian Vontobel

Christian Vontobel Klybeck 9-2020 Zwischennutzung