Ein neues Quartier entsteht

Planbare Wohngemeinschaft?

Auf der Planung eines neuen modernen Quartiers und deren Umsetzung liegen viele Hoffnungen. Menschliche Wünsche und prestigeträchtige Vorstellungen von Planer*innen sollten sich im Idealfall die Hand geben.

Der Erlenmatt-Park wurde angelegt, bevor noch Häuser gebaut wurden. Die Bäume sollten schon gross sein und Schatten spenden können, bevor die ersten Familien dort picknicken, Sport treiben oder ausgeruht wird. Die Überbauung der Pensionskasse des Bundes stand zuerst. Erlenmatt Ost kam danach mit Einfamilienhäusern und Miet- oder Kaufwohnungen. Zuletzt wurde Erlenmatt West realisiert mit Wohngenossenschaften, Ateliers für Künstler, Wohngemeinschaften für Menschen mit Beeinträchtigungen, neue Wohnstrukturen wie in den Häusern der Pensionskasse Abendrot. Auf dem Papier sieht alles so geduldig und schön aus. Die Fachleute sind überzeugt, dass dieses Quartier zum Musterquartier werden wird.

Ich habe zum Thema «Gemeinschaft auf der Erlenmatte» eine Person befragen, die dort 4 Jahre lang wohnhaft war. Um es vorweg zu nehmen: vor drei Wochen ist diese Person mit ihrer Familie in ein anderes Quartier umgezogen. Ich befragte, nennen wir sie in der Folge Mia, zum damaligen Beweggrund auf die Erlenmatte gezogen zu sein. Mia: «Meine Lebenspartner wohnte 2016 schon dort. Er suchte damals vor seinem Einzug eine grosse Neubauwohnung mit neuzeitlichem Komfort».

Kinderfreundliche Gestaltung

Als Mia zu ihm zog, hatten sie noch kein Kind. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr war ihnen beiden wichtig. Sie schätzen das Wohnen um den Park herum. Und doch waren sie in der Stadt mitten drin. Anfänglich war es ziemlich ruhig. Doch je mehr Bauten erstellt wurden, erhöhte sich tagsüber der Baulärm. Später war es dann auch der von Menschen verursachte Lärm, welcher stetig zunahm. Vor allem auch nachts.

2018 kam der gemeinsame Sohn auf die Welt. Nun schätze sie den Park und den dazugehörigen Spielplatz sehr (Leider mehr für grössere Kinder konzipiert.) und die autofreie Umgebung. Schwierig erlebte sie die Einkaufssituation. Es gab auf dem Areal anfänglich kein Lebensmittelgeschäft. 2019 ist ein sehr grosser Coop neu dazugekommen. Geld abheben konnte sie auch nicht. Nicht einmal am Badischen Bahnhof bei der Post hatte es einen Geldautomaten.

Kaum Kontakt zu Bewohnern

Über ihr Kind lernte sie den QTP (Quartiertreffpunkt) am Erlkönigweg 30 kennen. Dessen Angebot wie z.B. den Eltern/Kindtreff brachte sie mit anderen Müttern in Kontakt. In ihrem Miethaus wohnen in 10 Parteien Menschen, die zwischen 25-65 Jahre alt sind. Es wohnen dort Menschen mit Migrationshintergrund. «Expats» (Menschen, die vom Ausland hier her kommen und eine befristete Zeit in Basel arbeiten und dann wieder weiterziehen) hatte es keine, wie Mia mir berichtete. Es gab Familien dort und auch 1-2 Personenhaushalte.

Sie hatte nur zu einer Nachbarin mehr Kontakt. Alle gingen ihren eigenen Rhythmen nach. Das Wohnen dort ist eher teuer, da es Angenehmlichkeiten wie Lift, Eigene Waschmaschine/Tumbler und Netztwerkanschlüsse in jedem Zimmer hat. Die quartierzentrale Abfallentsorgungsstelle liegt drei Häuserblöcke weiter. Diese musste mit einem Schlüssel geöffnet werden um die Abfallsäcke richtig in den Schacht zum Unterflurentsorgungssystem einwerfen zu können. Leider gab es trotzdem neben dem Schacht auch falsch oder wild deponierte Abfallsäcke. So wurde später vom Schlüsselsystem abgesehen und ist nun einfacher zugänglich.

Botschafter fürs Zusammenleben

Bei einem Anlass der Kontakt-und Anlaufstelle am Riehenring erlebte sie die Ambassadoren zum ersten Mal. Ambassadoren sind im Quartier lebende Personen, welche sich für ein Entgelt für ein besseres Zusammenleben engagieren. Sie betreiben das Ambassadorenstübl, in welchem auf Ankündigung Treffen abgehalten werden. Dies soll das Kennenlernen der Nachbarn begünstigen. Sie organisierten auch das jährliche Erlenmattfest (Wegen der Covidauszeit erst nächstes Jahr wieder). Oder auch Rundgänge auf dem Areal. Im Erlenmatt West Ost heissen diese Personen Vermittler*innen. Mia schätzte die Möglichkeit zu Fuss oder mit dem Velo schnell in die Lange Erle fahren zu können sehr. Dort besuchte sie den Spielplatz, das Naherholungsgebiet und/oder den Tierpark.

Im Ostteil, der jetzt auch baulich fertig gestellt ist und die Leute eingezogen sind, treffen wir auf verschiedenste Wohnformen. Die Stiftung Habitat, die Pensionskasse Abendrot mit gemeinschaftlichen Wohnstrukturen oder die Genossenschaft Zimmerfrei. Ganz kürzlich wurde noch das Baléo und das Silo mit Hostel und Restaurant eröffnet. Es gibt kleinere Kaffees auf dem ganzen Areal, einen Mittagstisch im Quartiertreffpunkt Rosental/Erlenmatt zu günstigem Preis und eine Bierbrauerei mit Bar. In letzter Zeit beobachtete Mia, dass es zwischen dem Ost- und dem Westteil über den Park hinweg schwierig war, sich gegenseitig begegnen zu können.

Mietzins und fehlende Durchmischung

Nun ist sie weggezogen. Was hat sie dazu bewogen, wollte ich von ihr wissen. Als Erstes gibt sie den Mietzins an. Da sie zurzeit nur eine 20% Stelle hat, um ihren Sohn gut betreuen zu können, wurde der Mietzins auf der Erlenmatte zu hoch. Zudem erlebt sie ein Ungleichgewicht zwischen der Durchmischung der Wohnbevölkerung. Im Westteil ist dieses grösser als im Ostteil, vermutet sie. In Letzteren würden die Menschen bewusst hinziehen, weil sie am Konzept des gemeinschaftlichen Wohnens und in Kontakt stehen interessiert seien. Und dies sind vorwiegend Schweizer*innen. Andere hätten einfach eine freie und neugebaute Wohnung gesucht.
Einige bemühen sich im neuen Erlenmattquartier das Zentrum zu sein. Kürzlich war in der Zeitung zu lesen, dass das Silo diesen Anspruch hat. Vielleicht will das der Quartiertreffpunkt auch? Oder das Café und die Bar?

Wie oder wer auch immer: Die Gemeinschaft von Menschen ist nicht planbar. Sie ist auch nicht zu erzwingen. Meiner Meinung nach kann Gemeinschaft nur entstehen, wenn sie von der Mehrheit der dort wohnhaften Menschen getragen wird. Die Gemeinschaft aus Menschen, nicht aus Gebäuden oder Investoren macht es aus. Die Bewohner*innen haben es in der Hand, was letztlich auf dem Areal der Erlenmatte entstehen kann. Geben wir uns die Zeit. Nehmen wir es ernst und nehmen wir es an die Hand. Gemeinschaftlich.

Englisch Glossar:

community: Gemeinschaft
playground: Spielplatz
garbige: Abfall
noise: Lärm

Community is not possible, if you just write this word on a paper. People have to create and build up the community. This process takes time. But it is worth to work on it for the future of better living together.

In eigener Sache

Der QTP muss nun definitiv auf Ende September die alte Bahnkantine verlassen. Es wird umgebaut. In der Zwischenzeit sind wir am Goldbachweg Nr.12 zu finden. Schaue Sie mal herein. Das Angebot muss aus Platzgründen neu angepasst werden. Im Mozaik 2020/4 erfahren Sie mehr zu unserer neuen Situation.

Susanne Zeugin

Susanne Zeugin Stadtentwicklung Erlenmatt 9-2020