Im Gespräch mit Samuel Müller


Bild zVg

Samuel Müller lebt seit 13 Jahren im unteren Kleinbasel und ist Mitbegründer des neuen Neutralen Quartiervereins Unteres Kleinbasel.

mozaik: Was sind Deine Beweg-gründe für die Neugründung des NQVs?

SM: Ich bin überzeugt, dass jeder und jede sich für den Ort, wo er oder sie lebt, engagieren sollte. Das braucht die Gesellschaft. Gerade im lebendigen unteren Kleinbasel braucht es dieses gesellschaftliche Engagement. Es ist in vielen Einzelinitiativen vorhanden, aber der umfassende Blick fehlt. Diese Lücke will der Neutrale Quartierverein füllen. Der alte NQV, der jahrzehntelang verdienstvolle Arbeit geleistet hatte, wurde ja vor einigen Jahren aufgelöst. Er hatte den Generationenwechsel nicht geschafft. Da wir ein Abbild der Bevölkerung und ihrer Anliegen sein wollen, suchen wir Mitglieder aus allen politischen Kontexten: Wir wollen einen politisch neutralen Quartierverein zur Vertretung der Einwohnerinnen und Einwohner des unteren Kleinbasels bilden.

Der konkrete Anlass für die Gründung des neuen NQV war das Bauvorhaben an der Horburgstrasse. Die Gründe liegen aber tiefer. Typisch war, wie das konkrete Projekt an der Horburgstrasse aufgegleist wurde. Die Planung wurde ohne Rücksicht auf die Quartierbevölkerung vorangetrieben. Vertreter der Stadtbehörden und Grundeigentümer – beides in der Regel keine Anwohner – versuchen in geradezu kolonialistischer Haltung, das untere Kleinbasel zu entwickeln und ignorieren dabei die Leute, die hier wohnen. Gegen dieses Vorgehen braucht es eine Stimme. Wir sind aber nicht ein «Horburgstrassen-Verein», sondern möchten für das ganze untere Kleinbasel da sein. Dessen gesamtes Gebiet ist sehr dicht und heterogen bevölkert. Daraus ergeben sich Probleme, welche dringlicher Antworten bedürfen. Wir wollen, dass die Bevölkerung sich dazu Gedanken machen kann und auch gehört wird.

Seid ihr auch bezüglich der Entwicklung des ehemaligen Ciba-Geigy-Areals im Klybeck engagiert?'
Der Verein existiert nun seit knapp eineinhalb Monaten. Deshalb sind wir in dieser Frage noch nicht aktiv engagiert. Aufgrund der Pandemie konnten wir auch nicht viele Leute persönlich treffen, die hier involviert sind. Aber das Klybeck gehört in den Perimeter, für den wir uns verantwortlich fühlen. Dazu kommen ja noch weitere Areale, wie das Thommy-Areal. Auch hier ist eine Erneuerung absehbar. Und auch hier wird die Bevölkerung bislang nicht einbezogen.


.. wie immer das gemeint sein mag. | Bild Heimann

Stichwort Verdichtung, wie ist da eure Position?
Da gibt es verschiedene Perspektiven. Ein Punkt ist natürlich, möglichst viele Menschen angemessen unterbringen zu können. Es braucht also neuen Wohnraum. Ein weiterer Punkt ist die Zersiedelung der Schweiz. Dass mit dem Boden haushälterischer umgegangen werden muss, ist selbstverständlich. Diese beiden Problemkreise sind aber nicht vordringlich in den dichtesten und am wenigsten privilegierten Quartieren der Städte zu lösen. Die Errichtung von Mehrfamilienhäusern in gut erschlossenen und vergleichsweise schwach bebauten Einfamilienhaussiedlungen hat einen deutlich grösseren Effekt auf Zahl, Grösse und Qualität der verfügbaren Wohnungen als das Schliessen der wenigen Lücken in Gebieten wie dem unteren Kleinbasel. Durch die hier praktizierte Art der Verdichtung nimmt man uns Lebensqualität – nicht nur durch den Bau von Hochhäusern, sondern beispielsweise auch durch die Verbauung der Bauwiche. Diese Öffnungen an den diagonalen Ecken in den Blockrandbebauungen haben den Zweck, die Belüftung sicherzustellen. Darüber wurde im mozaik ja auch schon berichtet. Die Folgen dieser Verbauungen sind Hitze im Sommer und mehr Lärm. Es geht um die Wohnhygiene im weitesten Sinn. Richtig zynisch wird das Ganze, wenn Forderungen nach einer Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität im unteren Kleinbasel mit dem Argument abgewürgt werden, eine solche Verbesserung mache das Gebiet nur für vermögende Zuzüger attraktiv und schade deshalb den weniger Privilegierten. Das ist die Zweischneidigkeit der hiesigen Gentrifizierungsdebatte: Wer den Schmutz auf den Strassen dazu nutzt, die Mieten bezahlbar zu halten, kann sein Handeln nicht sozial nennen. Unser Anliegen ist eine Aufwertung von Wohnlichkeit und Lebensqualität für die Leute, die bereits hier wohnen.

Wie ist der Verein heute aufgestellt?

Heute zählen wir bereits 50 Mitglieder, davon 10 Kinder im Rahmen von Familienmitgliedschaften. Das zeigt, dass sich junge Familien erfreulich stark engagieren. Wir sind für alle offen und wünschen uns viele weitere Mitglieder. Auch die noch untervertretenen Menschen nicht deutscher Muttersprache sind herzlich willkommen. Wir haben keine vorgefassten politischen Positionen und möchten künftig in erster Linie ein Forum für den Austausch und die Meinungsbildung sein. Grundlage eines solchen Austauschs ist die gesellschaftliche Integration. Wir möchten deshalb sobald möglich auch zu einem Ort sozialer Anlässe werden. Das ist das Ziel und unser Anspruch und die Basis eines angenehmen Lebensumfelds von der Clarastrasse bis zum alten Kleinhüninger Gemeindebann.

was habt ihr für Wünsche an das mozaik?

Seine Stärke in der Vermittlung sollte mozaik weiter ausspielen. In gewissen Fragen dürfte mozaik noch politischer werden im Sinne eines Forums. Ein Beispiel zur angesprochenen Verdichtung: Ja, wir haben hier schöne Hinterhöfe, das wissen wir. Aber die politische Frage stellt sich, wollen wir die verdichten? Was würden wir damit gewinnen und was verlieren? Wir müssen allen Betroffenen zeigen, dass hier Politik betrieben wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

Hans-Georg Heimann

Informationen zum NQV Unteres Kleinbasel (inkl. elektronisches Anmeldeformular): 
Web: www.unteres-kleinbasel.ch
Mail: nqv@unteres-kleinbasel.ch
Postadresse: NQV Unteres Kleinbasel, c/o S. Müller, Eimeldingerweg 31, 4057 Basel

Hans-Georg Heimann 3-2021 Stadtentwicklung Klybeck Matthäus SamuelMüller