Planen ohne Regeln und Rücksichten

̈́Das unglückliche Vorhaben einer Hochhausüberbauung an der Horburgstrasse zeigt modellhaft, warum es Mitwirkungsverfahren braucht.


Keine wirklich gewünschte und ideale Verdichtung | Bild zVg

Als Ende November vergangenen Jahres überraschend Medienberichte über eine an der Horburgstrasse geplante Überbauung die Runde machten, reagierten weite Teile der ansässigen Bevölkerung schockiert. Sie sind überzeugt, das Vorhaben werde ihre Lebensqualität massiv beeinträchtigen und haben sich trotz widriger Umstände dagegen organisiert. Unter anderem werden folgende Argumente genannt:

Der Perimeter ist bereits hochverdichtet:
Das Horburgquartier gehört europaweit zu den Quartieren mir den geringsten Freiraumflächen pro Kopf der Wohnbevölkerung. Die öffentlich nutzbaren Freiflächen beschränken sich auf die Dreirosenanlage und den Horburgpark. Beide sind bereits heute übernutzt und deshalb konfliktreich.

Die Kleinsten werden benachteiligt:
Der bestehende Kindergarten müsste dem Hochhauskomplex weichen. Ein Ersatzneubau soll im heute intensiv genutzten Garten des Familea-Tagesheims auf dem Areal gebaut werden, wonach sich Kindergarten und Tagesheim die stark reduzierte Freifläche teilen müssten.

Verkehrszunahme:
Mitten im in den vergangenen Jahren mit grosser Anstrengung und grossen Kosten verkehrsberuhigten Quartier soll eine grosse Tiefgarage gebaut werden. Dass deren Ausfahrt direkt auf das schon durch das bestehende Parkhaus stark gefährdete Horburgschulhaus geführt werden soll, ist eine besonders bittere Pointe.

Klimanotstand:
Das untere Kleinbasel gehört zu den heissesten Gebieten der Stadt. Die Temperaturentwicklung wird durch Bauvolumen und versiegelte Flächen negativ und durch Vegetationsflächen und alte Bäume positiv beeinflusst. Die geplanten riesigen Gebäude erschweren Luftzirkulation und Kühlung weiter, vernichten Vegetationsflächen und führen zur Fällung grosser Bäume. Eine weitere Erwärmung des Quartiers und ein erhöhter Energieverbrauch durch den verstärkten Einsatz von Klimaanlagen sind absehbar.

Missachtung des Hochhauskonzepts:
Die für die Überbauung vorgesehene Bauhöhe von 54m übersteigt die bislang am Ort gestattete Wandhöhe von 18m um ein Vielfaches. Die bedrängende Wirkung auf Horburgstrasse und -platz und die schützenswerten Wohnbauten auf dem Areal («CIBA - Häuser»), aber auch die Auswirkungen auf das Stadtbild müssen in eine Gesamtbewertung einfliessen.
Gemäss dem Hochhauskonzept sollen Basler Hochhäuser ausserdem zu einem Gewinn an Freiflächen führen. Für das vorliegende Projekt wird aber ausschliesslich Grünraum geopfert.Der für die Parzelle vorgegebene Lichteinfallswinkel von 45° wird ignoriert. Sogar ein - ohnehin nur in Spezialzonen denkbarer - Lichteinfallswinkel von 60° kann nicht überall eingehalten werden. Eine grosse Zahl vergleichsweise günstiger Wohnungen im Quartier würde bei einer Umsetzung des Vorhabens schlecht beleuchtet werden und damit eine ungenügende Wohnhygiene aufweisen.

Sicherheit der Verkehrsinfrastruktur:
Die geplante Überbauung soll im für Bauten gesperrten Nationalstrassenperimeter direkt an der Wand des Nordtangententunnels gebaut werden. Die Sicherheit des Nationalstrassennetzes im erdbebengefährdeten Basel wird damit in Frage gestellt. Es wird deutlich, dass das Projekt von Hochhäusern an der Horburgstrasse angesichts seiner grossen Dimensionen massive Auswirkungen auf die Bevölkerung des ganzen Quartiers hat. Der verfassungsmässige Auftrag, in solchen Fällen ein Mitwirkungsverfahren durchzuführen, wurde gemäss einer persönlichen Mitteilung des staatlicherseits zuständigen Projektleiters, Marc Février, nicht wahrgenommen, da neben den Abklärungen mit ASTRA (bezüglich der Nordtangente) und Denkmalschutz (bezüglich der „CIBA-Häuser“) kein Raum für einen Einbezug der Bevölkerung geblieben sei.
Hinzu kommt, dass das Vorhaben von den Verantwortlichen in einen Zusammenhang mit der Entwicklung des nördlich der Mauerstrasse gelegenen Industrieareals gestellt wird. Die Absicht von Kanton und Bauherrschaft, einseitig Fakten zu schaffen, unterläuft also auch das bestehende Mitwirkungsverfahren rund um das Klybeckareal und ignoriert die Ideen der Bevölkerung zur Quartierentwicklung. So ist es bezeichnend, dass das in der Bevölkerung unbeliebte, nur wenige Meter entfernte, riesige und mittlerweile unzureichend genutzte Parkhaus zwischen Gottesacker- und Badenweilerstrasse nicht in die Überlegungen einbezogen worden ist. Es kann seiner Bauweise (schräge Böden!) wegen nicht für andere Zwecke genutzt werden. Die Errichtung eines grösseren Gebäudekomplexes an seiner Stelle würde keine Freiflächen kosten, hätte hinsichtlich der Wohnhygiene keine negativen Auswirkungen und würde das Quartier mit dem Horburgpark verbinden.
Da Alternativen denkbar und die ansässige Bevölkerung zur konstruktiven Mitarbeit an der Quartierentwicklung bereit sind, bleibt die Hoffnung, dass die kantonale Verwaltung künftig das Interesse der Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner zur Massgabe ihres Handelns macht und den Planungsprozess neu startet.

Samuel Müller, Präsident NQV Unteres Kleinbasel

3-2021 SamuelMüller Horburg Stadtentwicklung Klybeck