Vom Rand in die Mitte

Das Restaurant Platanenhof mit der Tiki-Bar, das Neue Kino, den Musikpalast, eine Sattlerei und eine Velowerkstatt: all dies beherbergt die Wohngenossenschaft Klybeck an der Ecke Klybeckstrasse / Altrheinweg. Damit ist sie ein wichtiger Kristallisationspunkt für eine lebendige Stadt.

Zum ersten Mal seit 35 Jahren fällt es dieses Jahr aus, das berühmt-berüchtigte Klybeckfest. Das erste feierten die KlybeckianerInnen 1986 in einem Vorgarten, seither ist das Fest gewachsen und hat an Ausstrahlung gewonnen. Immer wieder gab es Ärger mit Behörden deswegen: die OrganisatorInnen sind sogar vor Bundesgericht gezogen, um endlich offiziell bis 24h Musik machen zu können. Das Gericht befand sich als nicht dafür zuständig, sondern erklärte sinngemäss, dass jede Bevölkerung die Verwaltung habe, die sie verdiene. Trotzdem führte der Weiterzug dazu, dass die Ämter ein Einsehen hatten, das Klybeckfest als Veranstaltung anerkannten und Musik bis Mitternacht bewilligten.

Der Velohag im Bau / Fotograf unbekannt

Beharrlichkeit prägt das Soziotop Klybeckstrasse seit den Anfängen Mitte der achtziger Jahre. 1986 entstand die Boulebahn an der Ecke Klybeckstrasse / Altrheinweg, wenig später schweissten Anwohner den bekannten, aus einer Vielzahl alter Fahrräder bestehenden Velohag. Nach der Räumung der Alten Stadtgärtnerei 1988 entstand in einem Keller die Metallwerkstatt, zwei Häuser weiter öffnete die stets verrauchte Kellerbar ihre Tür.

Zuerst die Hinterhäuser…

1991 wollte die Besitzerin Ciba-Geigy AG die beiden baufälligen Hinterhäuser Klybeckstrasse 245/47 abreissen, der Platanenhof hätte in einen Jugendtreffpunkt umgewandelt werden sollen. Zuerst ganz nachbarschaftlich und konziliant, zum Schluss auch mit einer Besetzung wehrten sich die BewohnerInnen der Vorderhäuser dagegen. Innerhalb der Ciba-Geigy setzten sich die politisch denkenden Kräfte um den späteren Nationalrat Johannes Randegger durch und boten Hand zu einer versöhnlichen Lösung: die AnwohnerInnen konnten die Hinterhäuser im Baurecht übernehmen, der Platanenhof blieb als Restaurant erhalten und der Jugendtreffpunkt wurde am Altrheinweg 38 einquartiert, wo sich heute der Musikpalast befindet.

Nun waren die Engagierten für den Zustand der Hinterhäuser selbst verantwortlich und erneuerten zwischen Weihnacht und Neujahr 1991/92 das Dach, angeleitet von Zimmermann Urs Arlt. Mit weiteren 2000 Stunden Arbeit entstanden im Parterre das Neue Kino und im oberen Stock ein Gemeinschaftsraum, der gross genug ist, um alle an diesem Projekt Beteiligten zu versammeln.

Grüne Lunge: die hintere Fassade Klybeckstrasse 245 / Foto M. Brändle

…dann die Genossenschaft…

2004 schliesslich konnte die neu gegründete Wohngenossenschaft Klybeck (WGK) die acht Häuser Klybeckstrasse 241-255 und die vier Gebäude am Altrheinweg 32-38 von der Novartis AG übernehmen. Verdankenswerterweise verkaufte die Novartis die Häuser den darin Wohnenden und nicht den Meistbietenden, so dass die günstigen Mieten nicht erhöht werden mussten und alle BewohnerInnen bleiben konnten. Dieses Glück gibt die WGK weiter, indem sie andere Genossenschaften mit der Verbürgung von günstigen Krediten beim Kauf (WoGeNos K250, Mietshäusersyndikat, OFF) und aktuell zum ersten Mal beim Neubau ihrer Häuser (Lyse-Lotte) unterstützt.

Der Ausbaustandard der Häuser an Klybeckstrasse und Altrheinweg ist einfach und soll es bleiben, um die Häuser in ihrem Wesen zu erhalten. Unterdessen sind alle strassenseitigen Fenster erneuert. An der Klybeckstrasse konnten die bestehenden Eichenfenster mit den Vorfenstern weiterverwendet werden, sodass die Anmutung der Häuserzeile erhalten blieb. Eine solche ist mittlerweile kaum mehr zu finden in Basel.

…und nun neue städtebauliche Herausforderungen

Die Wohngenossenschaft Klybeck wuchs und reifte über viele Jahre am Rande des entlegensten Quartiers der Stadt. Jetzt aber findet sie sich mitten in einem städtebaulichen Eldorado wieder. Die Hafenbahn soll mit dem zweifelhaften Bau des Hafenbeckens 3 verlagert werden, damit der Klybeckquai mit teuren Wohnungen bebaut werden kann. Auch auf dem riesigen Werkareal Klybeck wird zur Bonanza geblasen: BASF und Novartis haben ihre Areale an Swiss Life bzw. an ein Konsortium von Pensionskassen und Banken verkauft, die hier ein lukratives Immobiliengeschäft wittern.

Die Bar des Neuen Kino / Fotograf unbekannt

Die WGK engagiert sich auf verschiedenen Ebenen dafür, dass diese Veränderungen möglichst quartierverträglich ablaufen. Unter dem Dach der Klybeckinsel (klybeckinsel.ch) setzt sie sich mit anderen Gruppen zusammen für eine massvolle Entwicklung ein. Sie unterstützt das Engagement des Vereins «Zukunft Klybeck» für einen hälftigen Anteil von gemeinnützigen Bauträgern an der Neuentwicklung von Transformationsarealen. Sie will selber bauen auf der an sie grenzenden Industriezone und so einen harmonischen Übergang zum Quartier schaffen und ihren Bestand um Wohnungen für Familien, Ältere, Wohngemeinschaften etc. erweitern.

Martin Brändle

Öffnungszeiten:

Platanenhof: Di - Fr: 11–14h und 17–24h, Sa: 18–24h

Tikibar wg. Corona geschlossen
Neues Kino: mindestens Do & Fr 21h

Musikpalast: Kindernachmittag Mi 14h, offener Palast (Do 20h30) wg. Corona geschlossen

Die Sattlerei: Mo – Do 13 – 17h

Veloklybeck: Di – Fr 14 – 18h30, Sa 12 – 16h

Martin Brändle 9-2020 Klybeck Wohngenossenschaft